Insider: Ablehnung von Akkreditierung deutscher Journalisten rechtens

DAILY SABAH
ISTANBUL
Veröffentlicht 05.03.2019 16:23
Aktualisiert 13.03.2019 12:02
Insider: Ablehnung von Akkreditierung deutscher Journalisten rechtens

Nach den Protesten gegen die abgelehnten Akkreditierungen von einigen deutschen Journalisten in der Türkei kommen nun erste Fakten ans Tageslicht. In mindestens einem Fall soll eine Zusammenarbeit mit dem verbotenen Gülen-Sprachrohr „Ahval" vorliegen. Einem Regierungsbeamten zufolge sollen nationale Sicherheitsinteressen eine Rolle gespielt haben.

Vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass einigen deutschen Journalisten die Verlängerungsanträge ihrer Akkreditierungen nicht genehmigt werden. Daraufhin war in mehreren deutschen Medienberichten behauptet worden, dass der Kommunikationsdirektor der Präsidentschaft, Fahrettin Altun, die Entscheidungen im Alleingang getroffen hätte. Diese Behauptungen erschienen weitflächig in den bundesdeutschen Medien - unter anderem im Tagesspiegel.

Gegen die Entscheidung hatte zunächst das Bundesaußenministerium protestiert. Später kritiserte auch Bundesaußenminister Heiko Maas indirekt die türkische Regierung auf Twitter, jedoch ohne die genauen Hintergründe zu kennen: „JournalistInnen müssen Ihrer Arbeit frei und ohne Beschränkungen nachgehen können."

Bislang hält sich die Türkei mit einer offiziellen Stellungnahme zurück. Mitarbeiter der Daily Sabah-Redaktion konnten aber am Montag im Rahmen der Recherchen mit einem hochrangigen Beamten aus der türkischen Regierung ins Gespräch kommen, der namentlich nicht genannt werden wollte. Demnach steht mindestens einer der deutschen Journalisten ohne verlängerte Akkreditierung in direkter Verbindung zu den Organen der Terrororganisation von Fetullah Gülen - dem Drahtzieher des Putschversuchs vom 15. Juli 2016.

Dabei handelt es sich im konkreten um Tagesspiegel-Mitarbeiter Thomas Seibert*, der bisher zahlreiche Artikel für die verbotene Nachrichtenplattform „Ahval" verfasste und dort aktiv mitwirkt. Das Medium gehört zum Netzwerk der terroristischen Gülen-Sekte. Dies mag man auf de ersten Blick nicht erkennen, was jedoch typisch für die Organisation ist, die unter einem scheinbar humanen Deckmantel den Staat zu infiltrieren versucht.

Screenshot vom 05.03.2019 17:46

Der Regierungsbeamte stellte am Montag gegenüber Daily Sabah Deutsch klar, dass jede Akkreditierung im Vorfeld gründlich geprüft worden sei. Die Ablehnungen dürften nicht als Kampfansage gegen Journalisten aus der Bundesrepublik verstanden werden. Denn rund 20 andere Journalisten aus Deutschland hätten ohne weiteres ihre Akkreditierung erhalten. Darunter seien unter anderem Mitarbeiter von DPA, ARD, RTL und FAZ. Die Zahl der abgelehnten Anträge beziffere sich bisher lediglich auf drei spezielle Fälle.

Dass in Deutschland die Medienvielfalt nicht immer optimal gewährleistet ist, wie gerne behauptet, sah man zuletzt am Beispiel der russischen Agentur „Sputniknews", die von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg ohne nennenswerten Grund die Lizenz für ihr Radioprogramm entzogen bekam. Der Chefredakteur von Sputniknews Deutschland, Sergej Feoktistow, reagierte darauf mit harscher Kritik: „Wir halten die Entscheidung, den Sendebetrieb von SNA-Radio in Berlin und Brandenburg einzustellen, für politisch motiviert."

Aber auch beim G20-Gipfel in Hamburg wurden mehreren Journalisten nachträglich ihre Akkreditierung entzogen. Damals hatten Polizeibeamte die Namen auf den G20-Ausweisen mit einer zweiseitigen Liste abgeglichen und anschließend den gelisteten Personen die Genehmigung wieder aberkannt. Der „Weser-Kurier" hatte auf Twitter berichtet, dass einem seiner Fotografen ohne Begründung die Akkreditierung entzogen worden sei. Mindestens drei weitere Journalisten hatten sich dem Protest auf Twitter angeschlossen

„In einigen Fällen mussten tatsächlich Akkreditierungen verweigert beziehungsweise nachträglich entzogen werden", hatte Regierungssprecher Steffen Seibert versucht, den Schritt zu rechtfertigen - aber ohne genaue Gründe anzugeben. Die Entscheidung darüber sei vom Bundespresseamt gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt sowie dem Bundesinnenministerium getroffen worden.

*Ergänzung

Kurz nach Veröffentlichung unseres Artikels über die abgelehnten Akkreditierungen erhielten wir eine E-Mail von Herrn Thomas Seibert, in der er erklärte, noch nie direkt für „Ahval" geschrieben zu haben. Auch habe er keinerlei finanzielle Leistungen von der verbotenen Nachrichtenplattform erhalten. „Ahval hat einige meiner Artikel von der Wochenzeitung The Arab Weekly publiziert, die von Ahval ohne mein Wissen übernommen worden waren", hieß es im Schreiben weiter.

Auch Seitens der Tagesspiegel-Redaktion kam es zur Kontaktaufnahme. In einer an die Daily Sabah verfassten Mail bestätigte Tagesspiegel-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, dass Thomas Seibert lediglich regelmäßig für die „Arab Weekly" Artikel verfasst habe, aber keine Verbindungen zu „Ahval" pflege: „Ahval veröffentlicht regelmäßig Artikel, die aus der ‚Arab Weekly' stammen. ‚Ahval' hat ebenso Artikel von Thomas Seibert veröffentlicht, die auf der ‚Arab Weekly' publiziert worden waren. ‚Ahval' hat die Quelle ‚Arab Weekly' unter jedem Artikel unseres Autors angegeben. Die Wiederveröffentlichung der Seibert-Artikel aus der ‚Arab Weekly' erfolgte ohne unser Wissen und die Kenntnis unseres Korrespondenten. Es gab nie einen Kontakt zwischen Seibert und ‚Ahval'.", hieß es in der englischsprachigen Mail.

Zudem wurde am Dienstagabend eine offizielle Erklärung von der Chefredaktion der „Arab Weekly" veröffentlicht. Darin wurde ebenfalls bekräftigt, dass weder Seibert, noch andere Journalisten die regelmäßig für „Arab Weekly" schreiben, Verbindungen zu „Ahval" hätten.

Nach internen Gesprächen in unserer Redaktion hielten wir es aufgrund journalistischer Grundsätze, an die wir uns gebunden fühlen, für notwendig und wichtig, unsere Nachricht mit den Aussagen von Thomas Seibert und Mathias Müller von Blumencron zu ergänzen.


Screenshot vom 06.03.2019 12:48

Mittlerweile wird Thomas Seibert bei „Ahval" nicht mehr als Mitarbeiter aufgeführt. Dennoch werden seine Artikel weiterhin von der verbotenen Nachrichtenseite übernommen.

Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen